ABC...XYZ hat geschrieben: ↑Dienstag 22. Februar 2022, 01:35
Weder die Russen, noch die Chinesen werden sich sich von den USA und ihren Verbündeten ( incl. NATO ) auf der Nase rumtanzen lassen. Sie realisieren nationale und regionale Interessen [...] Wenn sich China und Russland verbünden, dann sind die Amis weg vom globalen Macht-Fenster - auch militärisch.
Dazu wird es nicht kommen, da China das nicht nötig hat. Wirtschaftlich ist Russland im Vergleich zum Reich des Himmels ein Entwicklungsland. Es wird dann eine Geschichte von Koch (China) und Kellner (Russland). Oberbube sticht Unterbube.
Tagesspiegel hat geschrieben:Jedoch hat sich Chinas Entfremdung von den USA schon seit fast einem Jahrzehnt zunehmend verschärft – ein Trend, den der ehemalige US-Präsident Donald Trump beschleunigt hat und für dessen Umkehr Präsident Joe Biden bisher kaum etwas getan hat. Angesichts dieser wachsenden Gegnerschaft zum Westen ist es China, das Russland auf seine Seite bekommen wollte, und nicht umgekehrt – und auch nicht als gleichberechtigten Partner.
Natürlich unterstützt China trotz seines häufig wiederholten Mantras, wonach nationale Souveränität und territoriale Integrität sakrosankt seien, jetzt faktisch Putins Militäraufmarsch entlang der Grenze zur Ukraine: Es hat den Westen gedrängt, Russlands „Sicherheitsbedürfnis“ ernst zu nehmen, und hat seine Ablehnung einer Nato-Erweiterung bekräftigt. Doch dürfte das nicht bedeuten, dass China Russland bei einer Auseinandersetzung mit den USA und der Nato unterstützen wird.
Die Unterstützung wird gerade reichen, dass Putins sich im Kreml hält
Stattdessen hat Xi getan, was notwendig war, um Russland in eine vasallenartige Abhängigkeit von China zu bringen. Und Putin ist ihm in dem Glauben, dass eine Partnerschaft mit Xi ihm in seiner Konfrontation mit dem Westen helfen würde, direkt in die Falle getappt.
Was könnte für China besser sein als eine russische Wirtschaft, die komplett vom Westen abgeschnitten ist? All das Erdgas, das nicht westwärts in Richtung Europa fließt, könnte gen Osten ins energiehungrige China fließen. Alle sibirischen Rohstoffvorkommen, für deren Erschließung Russland westliches Kapital und Know-how brauchte, würden ausschließlich China zur Verfügung stehen, Gleiches gilt für neue Infrastrukturprojekte in Russland.
Wer noch Zweifel an der Hemmungslosigkeit hat, mit der Xi Russlands Isolation ausnutzen wird, braucht sich nur das Vorgehen von Xis Amtsvorgängern Hu Jintao und Jiang Zemin ansehen. Zunächst erschienen die Beziehungen freundlich. Putin unterzeichnete 2001 einen Freundschaftsvertrag mit China. Und China stellte angesichts der finanziellen Isolation Russlands Ende 2004 einen Kredit von sechs Milliarden Dollar bereit, damit Russlands staatseigene Ölgesellschaft Rosneft den Kauf der größten Produktionseinheit der Yukos Oil Company finanzieren konnte (eines Unternehmens, das Putins Regierung 2006 erfolgreich in den Bankrott trieb).
Im Jahr 2005 jedoch nutzte China in einem nach Ansicht vieler direkt an den Yukos-Kredit geknüpften Schritt seinen Einfluss auf Russland, um den Kreml im Austausch gegen die Rücknahme von anderen Gebietsansprüchen Chinas zur Rückgabe von rund 337 Quadratkilometern strittiger Gebiete zu zwingen. Doch scheint Putin zu ignorieren, dass Chinas Führung und Bevölkerung Russland als korruptes Land betrachten, das im 19. Jahrhundert mehr chinesische Gebiete gestohlen hat als jedes andere Land. Vor zwei Jahren wurde ich selbst Zeugin ihrer Verachtung, als ich eine Fähre über den Amur von Blagoweschtschensk in Russland in die chinesische Kleinstadt Heihe nahm. Die örtlichen chinesischen Händler verspotteten die Russen offen, während sie ihnen billige Handys und minderwertige Pelzimitate verkauften.
China wird weder den eigenen Wohlstand riskieren, indem es die USA in Verteidigung Russlands offen herausfordert, noch die russische Wirtschaft stützen, indem es dort in einem Maße investiert, wie es zum Ausgleich der gewaltigen Sanktionen erforderlich wäre, die der Westen im Falle eines Einmarschs Putins in der Ukraine verhängen wird. Stattdessen wird China das bloße Minimum tun, um Russland in die Lage zu versetzen, seine Konfrontation mit dem Westen aufrechtzuerhalten, und so die Aufmerksamkeit des Westens von der von China ausgehenden strategischen Herausforderung abzulenken. Diese minimale chinesische Unterstützung mag gerade so ausreichen, um Putin im Kreml zu halten – das Einzige, was für ihn zählt. Doch der Kremlherrscher wird über eine Volkswirtschaft regieren, die langsam ausblutet.
https://www.tagesspiegel.de/politik/neu ... 89950.html
Ob es wirklich eine ausblutende russische Volkswirtschaft sein wird, wie die Gastautorin des Tagesspiegelsw behauptet, sei mal dahingestellt. Da gibt es auch andere Meinungen. In jedem Fall steht obige Sichtweise passend zum derzeitigen Verhältnis USA-China, bei dem die Chinesen als größte Bedrohung empfunden werden.
WiWo hat geschrieben:WirtschaftsWoche: Herr Grieveson, kann sich Wladimir Putin einen Krieg in der Ukraine ökonomisch leisten?
Richard Grieveson: Ja, wenn auch zu einem sehr hohen Preis. Wenn der Konflikt eskaliert und der Westen bei den Sanktionen Vollgas gibt, kann er Russland problemlos in eine schwere Rezession treiben. Die dortige Wirtschaft läuft ja schon seit sechs, sieben Jahren nicht übermäßig gut. Die Importsubstitution, also der Versuch, die Abhängigkeit von ausländischen Gütern zu verringern, war nicht erfolgreich. Trotzdem wird es der Westen kaum schaffen, Russland in die Knie zu zwingen.
Und warum nicht?
Die Russen sind in der Lage, sich ökonomisch zu verteidigen. Sie haben große Währungsreserven aufgebaut, mit denen sie strauchelnde Banken stützen können. Sie haben eine nur geringe Staatsverschuldung und könnten eine schwere Wirtschaftskrise fiskalpolitisch ein Stück weit abfedern. Und sie können – was ja gerade schon passiert – die geostrategische Allianz mit China vertiefen. Das wird nicht in diesem Jahr helfen, aber wahrscheinlich mittelfristig.
https://www.wiwo.de/politik/ausland/rus ... 52610.html
Ein ganz interessanter Ansatz:
https://scilogs.spektrum.de/gedankenwer ... strategie/
Dass sich Putin Sorgen um seine spätere Sicherheit macht, halte ich allerdings für viel zu hoch gegriffen. Das große russische Reich passt aber schon zu ihm und seiner Sozialisation.
Spektrum hat geschrieben:Warum baut Russland eine militärische Drohkulisse an der ukrainischen Grenze auf? Für die meisten Kommentatoren ist das ein Rätsel, und sie nehmen an, dass Russlands Führung mehr oder weniger spontan gehandelt hat. Aber diese verfehlte Wahrnehmung entspringt der Kurzlebigkeit unseres Denken in den Zeiten der digitalen Nachrichtenschwemme. Sie unterschätzt die Fähigkeit der russischen Regierung zur Verfolgung einer Langzeitstrategie. Und das könnte ziemlich fatal werden.
[...]
Der Angriff auf die Ukraine als Teil eines größere Plans
Der Truppenaufmarsch sowie die diplomatische und propagandistische Begleitung lässt auf längerfristige Planung schließen. 150000 Soldaten lassen sich nicht ohne Vorbereitung binnen weniger Tage verlegen. Außerdem sollte man die russische Regierung nicht unterschätzen, was leider immer noch die Regel ist.
Sehen wir uns einen Moment lang die Situation von Wladimir Putin und seiner Oligarchengruppe an. Die russische Regierung wird immer deutlicher als aggressive Kleptokratie (Diebesherrschaft) wahrgenommen. Selbst in Russland zweifelt niemand an der grassierenden Korruption3, und Putins Vermögen wird auf einen zweistelligen Milliardenbetrag (US-Dollar, nicht Rubel) geschätzt. Sollte der russische Präsident abgelöst werden, müsste sein Nachfolger den jetzigen Machtzirkel zerschlagen. Putin dürfte also klar sein, dass er entweder im Amt stirbt oder im Gefängnis – es sei denn, ihm gelingt ein historischer Befreiungsschlag.
Die Besetzung der Ukraine wäre dann nur ein Teil einer größeren Operation: der Wiederherstellung des russischen Reichs in den Grenzen der Sowjetunion. In diesem Fall würde Russland noch in diesem Jahr einen Unionsvertrag mit Weißrussland, Armenien und Kasachstan schließen. Die Regierungen dieser Länder sind bereits jetzt völlig von Russland abhängig. Es wäre auch möglich, dass Russland gleichzeitig mit der Ukraine das sehr viel kleinere Georgien einnimmt, und einige der zentralasiatischen Republiken zu einem Unionsvertrag nötigt.4 Die baltischen Staaten und Aserbaidschan stehen erst einmal nicht auf der Einkaufsliste.5
Sollte Putin dieser Coup gelingen, wäre sein Ansehen in Russland so groß, dass er nahezu unantastbar würde. Die westlichen Sanktionen wären ihm eher gleichgültig, weil sie nur kurzfristig wirken, während er in historischen Zeiträumen denkt. Wenn der russische Botschafter in Schweden also sagt: „Wir scheißen auf Ihre ganzen Sanktionen“, sollte man das auch vor diesem Hintergrund sehen.
Putin wird vermutlich davon ausgehen, dass eine kurzfristige Sperre russischer Erdgas- und Weizenlieferungen bereits ausreicht, um die Europäer zur Raison zu bringen. Und selbst wenn nicht: Die Wiederherstellung des russischen Großreichs wäre sein historisches Erbe, die Lebensleistung, ihm einen Ehrenplatz in den russischen Geschichtsbüchern (und viele Reiterstandbilder) einbringt.
Von uns die Arbeit, von Gott den Segen.